Lichtfalle Hamburg 2018
als Teil der Veranstaltung „Langer Tag der StadtNatur / GEO-Tag der Natur“
Nana Petzet
Am Freitag den 15. und am Samstag den 16. Juni 2018 war die Lichtfalle wieder von Anbruch der Dämmerung bis um 1 Uhr nachts im Hafen unterwegs. Der Rahmen dieser Aktion war der am 16. und 17. Juni 2018 von der Loki Schmidt Stiftung zum 8. Mal veranstaltete Lange Tag der StadtNatur. Bei über 220 öffentlichen Veranstaltungen wurden Orte in Hamburg und Umgebung, zu denen man gewöhnlich keinen Zutritt hat, hinsichtlich ihrer Biodiversität erkundet. Die Loki Schmidt Stiftung wurde hierbei vom Verein GEO-Tag der Natur und dem Centrum für Naturkunde (CeNak) der Universität Hamburg unterstützt. Hauptförderin war in diesem Jahr die Stiftung Lebensraum Elbe. Für das Jahr 2018 bildete die Elbe als Lebensader der Region einen besonderen Schwerpunkt. Auf Initiative von Dr. Martin Kubiak, der für das CeNak die wissenschaftliche Begleitung der Aktivitäten organisierte, bot sich uns die Gelegenheit die Leuchtaktion Lichtfalle 2018 als Programmpunkt der Veranstaltung Langer Tag der StadtNatur / GEO-Tag der Natur zu wiederholen und auf diese Weise die Datenerhebung auf wissenschaftlicher Grundlage fortzuführen.
Daher war diesmal auch nicht die Expertensuche sondern die Schiffssuche das Problem: Da die Repsold an den festgelegten Tagen in der Ostsee unterwegs war, mussten wir ein vergleichbares Schiff finden. Weder die Stiftung Hamburg Maritim, noch das Hafenmuseum, ein Ableger des Museums der Arbeit, die historische Nutzfahrzeuge in der geeigneten Größe unterhalten, waren zu einer Zusammenarbeit bereit. Auch Gespräche mit den Besitzern des Polizeiboots Ottenstreuer im Museumshafen Övelgönne führten letztlich nicht zum Ziel. Mit Christine Röthig und Jan Peters den Mitbegründern des Fördervereins Hamburger Hafenlieger Verein (HHLV) fanden wir dann doch noch geeignete Kooperationspartner. Wie wir bei einer ersten Begehung mit Hans Georg Losekamm herausfanden, ist die vom Verein betriebene Hafenbarkasse Elsa, Baujahr 1908, zwar mit einer Länge von 13m und einer Breite von 2,86 m kleiner als das Feuerlöschboot Repsold, aber groß genug und der historische 3 Zylinder Jastram Dieselmotor stark genug, um das Lichtobjekt zu befördern. Wir stellten fest, dass die Falle auf dem Deck der Elsa zentral platziert, knapp über die Bordkante ragen würde. Im Gegensatz zur Positionierung der Lichtfalle auf dem erhöhten Deck der Repsold, wo man über eine Treppe hingelangt und dort umgeben von einem Geländer steht, saßen die Beobachter in der Elsa auf Bänken, die an der Bordwand umlaufend angebracht sind, um den Leuchtkörper herum.
Die Elsa mit Lichtfalle am 15.Juni 2018 von König der Löwen aus gesehen. Foto: Helge Mundt
Die Aluminiumkonstruktion der Lichtfalle, die drei Jahre zerlegt im Lager Am Saalehafen 49 aufbewahrt worden war, wurde auf dem Gelände von Hans-Georg Losekamm, Otto Nupnau und Patrick Studt zusammengefügt und die Leuchten montiert, so dass am Freitag den 15. Juni, als Jan Peters, der als Schiffsführer die Elsa in beiden Nächten steuerte, mit seinem Decksmann Radek um 18:00 am Saalehafen angelegt hatte, die Falle auf der Elsa montiert werden konnte. Nach Abschluss der Aktion Lichtfalle 2018 haben Hans Georg Losekamm und Björn Losekamm den Abbau des Objekts übernommen. Es ist jetzt in zusammengebautem Zustand auf einem Anleger des Geländes Am Saalehafen 49 fest installiert.
Freitag, 15.06.2018, die Falle wird mit einem Reach Stacker von Hans-Georg Losekamm und Otto Nupnau auf der Barkasse Elsa montiert. Foto: Helge Mundt
Im Programm von Langer Tag der StadtNatur / GEO-Tag der Natur war eine geführte Wanderung »Der Hamburger Hafen bei Nacht« mit anschließender Leuchtaktion angekündigt. Der Veranstalter, die Zeitschrift GEO, berichtete auf ihrer Website und bei Facebook.
Wir kündigten die neuen Fahrten der Lichtfalle in einem Newsletter und auf der Mailingliste echo, bei Facebook und auf der Website Lichtfallehamburg.de an: »Am Freitag den 14. Juni wird die Lichtfalle von 20:00 bis 21:00 Überseebrücke, Baumwall zu sehen sein und von 22:30 – 23:30 vor Park Fiction kreuzen. Am Samstag den 16. Juni kann die Lichtfalle zwischen 20:00 und 21:00 vor König der Löwen und in der HafenCity gesichtet werden. Später werden wir uns vor allem im Köhlbrand aufhalten und uns dort um 22:30 am Fähranleger Neuhof mit einer geführten Gruppe treffen.
Mit Helge Mundt (Fotographie) und Marc Wiebach (Film) stand uns ein bewährtes Dokumentationsteam zur Seite. Auch der Veranstalter hatte den Fotografen Berthold Steinhilber und seinen Assistenten beauftragt am Samstag Bilder von der Leuchtaktion zu machen. Aufnahmen am Samstag den 16. Juni am Anleger Maritimes Museum, vom Baumwall aus und am Anleger Neuhof im Köhlbrand.
23:15 Marc Wiebach, Helge Mundt, Berthold Steinhilber und sein Assistent dokumentieren die Beprobung. Foto: Helge Mundt
Während der Fahrten des Schiffs koordinierte ich das Dokumentationsteam, die Aufnahme und das Absetzen der Gäste, das Entomologenteam und ihre Assistenten.
Das Centrum für Naturkunde hatte mit Timo Zeimet und Armin Günther zwei auf nachtaktive Schmetterlinge spezialisierte Artenkenner mit der Leitung für das Entnehmen und Behandeln der Belegexemplare betraut. Beide sind Masterstudenten, Armin Günther im Fachbereich Molecular Life Sciences, Timo Zeimet studiert Ökologie und Entomologie am Centrum für Naturkunde. Als Assistenten an Bord waren Carolin Uhlir, Masterstudentin der Biologie am CeNak und Fritz Wienecke, ein Freund von Armin Günther, der beim Fangen half. Alle notwendigen Utensilien wie Netze und Probengefäße und ein GPS-Gerät wurden vom CeNak gestellt. Zur Konservierung der Tiere wurde vergällter ca. 70% Alkohol verwendet.
Bei der Probennahme wurden standardisierte Methoden verwendet: Ortstreue und Aufführung des Transekts. Hierzu gehört, dass einmal der Artname des Tieres, der Bestimmungstag, der lokale Ortname, gefolgt vom Funddatum, und der verwendeten Fangmethode notiert werden, anschließend folgen die Koordinaten per GPS und der Fänger sowie der Bestimmer.
Route der Elsa mit Lichtfalle in der Nacht vom 15.6. auf den 16.6. 2018.
Ich war sofort begeistert, als Martin Kubiak den Vorschlag machte die Lichtfalle noch einmal einzusetzen. Bei einer Wiederholung würde die Glaubwürdigkeit der erhobenen Daten erheblich gesteigert. Wir hätten bei den zwei Fahrten an aufeinander folgenden Nächten die Attraktionswirkung, die von den blau leuchtenden Gasentladungslampen ausgeht, mit der Wirkung von 250W Quecksilberdampflampen (QSD), deren Einsatz im Feld quasi normiert ist, ermitteln können. Aber diesmal sollte nicht die Auseinandersetzung mit dem verstetigten Lichtspektakel Blue Port im Vordergrund stehen. Wir stellten uns hingegen die Frage: Was wird angelockt und wieviel?
Was die Route anbetrifft, war wieder eine Kombination aus Zeigen und Forschen geplant. Fahren und Halten wurden diesmal, was die Probenentnahme anbelangt, streng auseinandergehalten. Während der Fahrt wurden keine Insekten entnommen. Wenn ein Ruheplatz erreicht war wurden etwaige blinde Passagiere aus dem Tuch ausgeschüttelt, wenn der Fahrtwind nicht schon dafür gesorgt hatte, dass die Insekten weggeblasen wurden.
Hochwasser war am 15. Juni um 18 Uhr 30. Das Wetter war an diesem Abend mäßig gut zum Insektenfang: kein Niederschlag aber nur 20 Grad und leicht windig.
Wir warteten bis ca. 19:30 Uhr an der Dessauer Brücke, bis die Ebbe soweit fortgeschritten war, dass die Durchfahrt in den Hansahafen möglich war. Vom Hansahafen steuerte die Elsa direkt den Baumwall an. Kreuzen vor der Elbphilharmonie und Baumwall in Sichtweite der Commodore, mit den Eröffnungsgästen von Langer Tag der StadtNatur / GEO-Tag der Natur.
Foto: Helge Mundt
21:30, Anleger „Maritimes Museum“ im Magdeburger Hafen in der HafenCity. Insgesamt fuhren an den zwei Tagen zehn Gäste mit, die am Anleger aufgenommen und wieder abgesetzt wurden. Hier konnten nun auch Dr. Martin Kubiak vom Centrum für Naturkunde und Dr. Christiane Bramer an Bord kommen, die noch mit der Nach- und Vorbereitung der verschiedenen öffentlichen Veranstaltungen zu tun hatten. Wir fuhren in den Moldauhafen, wo es ruhiger war und sich verwilderte Brachflächen am Ufer befanden. Dr. Martin Kubiak ist Spezialist für Köcherfliegen und Dr. Christiane Bramer, von der Universität Göttingen, ist auf Wanzen spezialisiert. Eine erste Sammelprobe entstand:
15.06.2018, 21:30
Hamburger Hafen
Moldauhafen, GEO1
N53°31.992
E010°00.528
Lichtfang
leg. T. Zeimet: Fliegen (Diptera), Zuckmücken (Chironomidae), eine Zwergzikade (Cicadellidae), gesamt 50 Individuen)
Wir fuhren in den ruhigeren Moldauhafen, wo sich verwilderte Brachflächen am Ufer befinden. Foto: Helge Mundt
Dr. Martin Kubiak. Foto: Helge Mundt
Die nächste Probe entstand beim Absetzen von Gästen am Anleger Maritimes Museum:
15.06.2018, 22:30
Hamburger Hafen
Maritimes Museum N53°32.546
E010°00.000
Lichtfang leg. T. Zeimet: drei Köcherfliegen (Trichoptera)
Wir kreuzten nochmal vor Park Fiction an den Landungsbrücken und vor Bloom und Voss. Auf dem Weg nahm Timo Zeimet vor der Elbphilharmonie noch eine Einzelprobe mit:
15.06.2018, 23:00
Hamburger Hafen
Elbphilharmonie N53°32.539
E009°58.616
Lichtfang leg. T. Zeimet: eine Zuckmücke (Chironomidae), eine Köcherfliege (Trichoptera)
Nach einer nächtlichen „Hafenrundfahrt“ in ruhigere und grünere Hafengebiete wie den Klütjenfelder Hafen gelangten wir zum Nachtliegeplatz am Berliner Ufer im Spreehafen, in der Nähe der S-Bahn Veddel. Ab 24:00 Uhr kartierten wir eine Stunde bei ausgeschaltetem Schiffsmotor, und die Stromversorgung des Leuchtobjekts wurde anstelle des lauten Aggregats mit Landstrom gespeist. So entstand eine beachtliche Sammelprobe:
15.06.2018, 24:00
Hamburger Hafen
GEO2 N53°31.198
E009°59.436
Lichtfang leg. T. Zeimet, in Essigsäure-Ethylester: ein Käfer (Coleoptera) evtl. Tenebrionidae, in Alkohol: Zuckmücken (Chironomidae), Fliegen (Diptera, z.B. Calliphoridae und andere Familien), Köcherfliegen (Trichoptera), ein Schmetterling (Lepidoptera, Yponomeuta sp.), Zwergzikaden (Cicadellidae), gesamt 50 Individuen)
Dr. Martin Kubiak, Dr. Christiane Bramer, Timo Zeimet, Armin Günther kartierten im Moldauhafen. Foto: Helge Mundt
Route der Elsa mit Lichtfalle in der Nacht vom 16.6. auf den 17.6.2018.
Die Elsa fährt zu ihrem Einsatzort. Foto: Helge Mundt
Am Samstag den 16. Juni war um 19:24 Uhr Hochwasser. Abfahrt Spreehafen, um 20:30 Uhr. Helge und Marc erwarteten das Schiff bei König der Löwen, dort kreuzten wir und kescherten gelegentlich mit dem Fangnetz. Es war noch ziemlich hell.
21:30 Uhr, Aufnehmen und Absetzen von Gästen am Anleger Maritimes Museum. Foto: Helge Mundt
Jan Peters nahm den Weg über Blohm und Voss, Landungsbrücken und bog dann wieder südwärts in den Reiherstieg. Wir hatten eine interessante Fahrt durch die Rethe, wo eine Einzelprobe entnommen wurde:
16.06.2018, 22:45
Hamburger Hafen
K1 N53°30.464
E009°57.300
Lichtfang leg. T. Zeimet: eine Zuckmücke (Chironomidae), eine Köcherfliege (Trichoptera)
Wir kamen dann auch um 23:15 von Süden unter Köhlbrandbrücke zum Anleger Neuhof und nicht von der Norderelbrichtung, wo wir uns mit den von Dr. Martin Kubiak und Dr. Christiane Bramer geführten Teilnehmern der Exkursion „Der Hamburger Hafen bei Nacht“ trafen.
Die Exkursionsteilnehmer warteten um 23:00 Uhr am Anleger Neuhof auf das Erscheinen der Lichtfalle. Foto Helge Mundt
23:15 Anleger Neuhof, Treffen mit der von Dr. Martin Kubiak, Dr. Christiane Bramer geführten Gruppe. Foto: Helge Mundt
Es entstand eine weitere Sammelprobe:
16.06.2018, 23:30
Neuhof
N53°31.450
E009°56.444
Lichtfang leg. T. Zeimet: Zuckmücken (Chironomidae), Eintagsfliegen (Ephemeroptera), Köcherfliegen (Trichoptera), Wasserkäfer (Hydrophilidae), Leiodidae, Kurzflügler (Staphylinidae), Blatthornkäfer (Scarabaeidae), Zwergzikaden (Cicadellidae), Ameisen (Formicidae), gesamt 50 Individuen
Timo Zeimet informiert die Besucher über die Fänge. Foto: Helge Mundt
24:00 Uhr, Rückfahrt zum Spreehafen: Als wir anfangen wollten am Anleger Spreehafen zu fangen, fing es leicht an zu regnen, also machten wir früher Schluss als am Freitag.
16.06.2018, 24:15
Hamburger Hafen
Spreehafen N53°31.196
E009°59.444
Lichtfang leg. T. Zeimet: eine Schlupfwespe (Ichneumonidae), zwei Köcherfliegen (Trichoptera)
Armin Günther, Carolin Uhlir und Fritz Wienecke sammeln Belegexemplare für die Probe: 16.06.2018 GEO-Tag, Hamburger Hafen/GEO3, N53°31.450/E009°56.444, Lichtfangleg. T. Zeimet. Foto: Helge Mundt
Timo Zeimet bewertet den Versuchsverlauf in einer ersten Einschätzung folgendermaßen: „In den ruhigen Phasen, wenn nicht die Präsentation im Vordergrund stand, war es möglich einen wissenschaftlichen Lichtfang vorzunehmen und die Lockwirkung der Anlage auf die umliegenden Flächen zu beobachten. Am Freitag und Samstag konnten viele Dipteren (Zweiflügler, hier Fliegen und Mücken) gefangen werden. Des Weiteren wurden Tiere aus den Ordnungen der Trichoptera (Haarflügler, hier Köcherfliegen), der Lepitoptera (Schuppenflügler, hier Nachtfalter) und der Wasserkäfer angelockt. Die Auswertung der aufgenommenen Daten steht noch aus, bleibt aber spannend, gerade da solch eine große Anlage auf Flusssystemen sehr selten zum Einsatz kommt! Interessant wären Vergleichsfahrten über das Jahr hinweg und der wechselnde Einsatz von verschiedenen Leuchtstoffröhren um die Lockwirkung zu spezifizieren und zu standardisieren.“
Zunächst hatten wir mit unserem achteckigen „Versuchs-Batz“ die Zeichen, die mit dem „stillen Spektakel“ Blue Port im Dienst des Tourismus und im Namen der Kunst gesetzt werden, kritisch hinterfragt. Durch die Teilnahme am Langen Tag der StadtNatur / GEO-Tag der Natur besteht nun darüber hinaus die Möglichkeit, mittels der Artenliste eine Aussage über den Artenreichtum des Hamburger Hafens zu machen. Unvergessen bleibt mir der gelungene Moment, als in der Nacht von Freitag auf Samstag die Elsa bei warmen Temperaturen im Spreehafen lag und die Falle mit Landstrom versorgt wurde. Hier kam das Kunstwerk Lichtfalle gewissermaßen zu sich selbst. Anflug von Insekten aus allen Richtungen, die Forscher konnten in Ruhe beobachten und ich sah deutlich, wie um 2:40 Uhr eine Köcherfliege ihre langen Fühler langsam aus dem Schatten des vier Meter hohen Achtecks ins blaue Licht streckte.